Das neue Bild der Arbeit

Uwe Amrhein ist Mitgründer und Vorstand der Stiftung Bürgermut in Berlin und Stiftungsmanager der Röchling Stiftung in Mannheim. Zuvor war er Co-Leiter des Generali Zukunftsfonds, einer Fördereinrichtung, die sich schwerpunktmäßig mit dem Engagement älterer Menschen und Fragen der demografischen Entwicklung befasste.

Das neue Bild der Arbeit

Eine neue Regierung geht an den Start. Zu ihren Versprechen zählen ein stabiles Rentenniveau, ein unverändertes Renteneintrittsalter und gleichbleibende Beiträge. Wie alle drei Versprechen zugleich eingelöst werden sollen, erscheint angesichts der demografischen Fakten schleierhaft. Die geburtenstarken Jahrgänge gehen in wenigen Jahren nahezu schlagartig in Rente. Die ihnen folgende Erwerbsgeneration ist weitaus weniger zahlreich.
Diese Schere ist bereits so weit auseinandergegangen, dass wir die Folgen und auch die Handlungsmöglichkeiten nicht mehr nur mathematisch betrachten sollten. Es gilt, das Potenzial einer überwiegend gut ausgebildeten, engagierten und leistungsfähigen älteren Generation zu erkennen, zu fördern und, ja, auch zu nutzen – und zwar unabhängig davon, ob diese Menschen noch im klassischen Erwerbsleben stehen.
Es wird höchste Zeit, veränderte gesellschaftliche Realitäten anzuerkennen und sie zu begrüßen. Dazu gehört es, produktives Tätigsein nicht länger allein mit Erwerbsarbeit gleichzusetzen und es an eine bestimmte Lebensphase zu koppeln. Produktives Tätigsein ist heute vielmehr ein Mix aus Erwerbsarbeit, aus bürgerschaftlichem Engagement und aus Familienarbeit, beispielsweise in der Pflege von Angehörigen oder in der Unterstützung bei der Kinderbetreuung.
Im Lauf eines Lebens verlagern sich in diesem Mix zwar die Gewichte und Prioritäten zwischen diesen drei Elementen. Aber die klassische Aufteilung eines Lebens in Schule, Arbeit und Ruhestand, sie ist passé. Von gestern. Die gesellschaftspolitische Herausforderung besteht folglich darin, die Grundlagen zu schaffen für eine Kultur des lebenslangen wirksamen Tätigseins in größtmöglicher Flexibilität und Selbstbestimmung.
In einer älter werdenden Gesellschaft gibt es eben nicht nur immer mehr Rentnerinnen und Rentner. Es gibt auch immer mehr Menschen mit einem Anspruch auf lebenslange Mitgestaltungsmöglichkeiten. Beides ist richtig. Und deshalb könnte man verkürzt sagen: Wir werden künftig lebenslang tätig sein müssen. Aber wir werden es auch wollen. Und die gute Nachricht lautet: Immer mehr können es auch.
Dafür müssen Unternehmen, Staat und Zivilgesellschaft gute Voraussetzungen schaffen, weitere Anreize setzen, Einladungen aussprechen. Dies ersetzt nicht das Schrauben an der Rentenformel, aber es ist nicht weniger wichtig.

Uwe Amrhein