Die Frauenquote in der CDU Eine ganz persönliche Betrachtung

Ein Beitrag von Dr. Bärbel Steinkemper, Bürgermeisterin a.D.

Wieder in der Diskussion: Die Frauenquote in der CDU
„Und sie bewegt sich doch…“ könnte man angesichts der Vorschläge zur Frauenquote in der CDU ausrufen. Mit Freude und auch Genugtuung habe ich gelesen, dass die 2019 vom CDU-Bundesvorstand eingesetzte Struktur- und Satzungskommission vorschlägt, auf dem nächsten Parteitag der CDU die Frauenquote verbindlich im Programm der CDU zu verankern.
Die Kernpunkte des Vorschlages:
• Bis 2025 soll in 3 Schritten die Quote der Frauen in Parteiämtern ab der Kreisebene aufwärts auf 50 % gesteigert werden.
• Bei der Aufstellung der Listen für die Wahlen zum Europaparlament, zum Bundestag und zu den Landtagen soll bis 2025 ebenfalls in 3 Schritten 50 % Kandidatinnen unter en ersten 10 Listenplätzen vorgeschlagen werden. Dabei soll unter drei aufeinander folgenden Listenplätzen mindestens 1 Frau sein.
• Bei Delegiertenwahlen gilt künftig eine dynamische Quote, abhängig von Anteil der weiblichen Mitglieder.
Das ist mehr als das heute noch geltende Quorum bislang zu erreichen vermochte. Und vor allem: Es soll das „leere Stuhl“-Prinzip eingeführt werden. Das bedeutet, dass für den Fall, dass auch im dritten Wahlgang die Quote nicht erfüllt wird, der entsprechende Platz frei bleibt.
Es sieht so aus, als wolle die Partei Ernst machen mit dem Credo, das sie seit Jahren wie ein Banner vor sich her trägt: Die stärkere Beteiligung von Frauen an Entscheidungsprozessen ist auf allen Ebenen unseres Gemeinwesens von essentieller Bedeutung für die Weiterentwicklung der Gesellschaft.
Fast 40 Jahre lang hat mich diese Diskussion bei meinen diversen Funktionen in der Politik und insbesondere in der Frauen Union begleitet. Als Vorsitzende der örtlichen Frauen Union, als stellvertretende Landesvorsitzende der FU NRW, als Mitglied des FU-Bundesvorstandes und als Vizepräsidentin der Europäischen Frauen Union – um nur einige Funktionen zu nennen -, habe ich die immer gleichen Argumente für und gegen die Quote gehört. Und oft neidisch auf die gesetzlichen Regelungen anderer Länder geschaut. Geändert hat sich in diesen Jahrzehnten wenig bis nichts. Noch immer sind nur 22 % der CDU-Abgeordneten im Deutschen Bundestag Frauen. Und von den 19 Bürgermeistern im Rhein-Sieg-Kreis sind aktuell nur 3 Frauen, davon gehört nur 1 der CDU an.
Sicher: Wir haben eine Bundeskanzlerin und eine Europa-Kommissarin, wir haben 2 Ministerpräsidentinnen (leider derzeit keine von der CDU) und natürlich Ministerinnen. Das sind wichtige Leitfiguren, die Meilensteine setzen für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an den Führungspositionen in der Gesellschaft. Aber sie sind in der Regel auch Einzelkämpferinnen, die allein schon aufgrund ihrer arbeitsbedingten Belastungen kaum in der Lage sind, die Aufgabe als Stoßtrupp für mehr Frauen in Ämtern und Mandaten auch noch zu erfüllen.
Warum mir das so wichtig ist? Nicht nur, weil Frauen rund die Hälfte der Bevölkerung ausmachen und daher einen natürlichen Anspruch auf paritätische Beteiligung an Entscheidungen haben. Viel wichtiger ist, dass die Lebenserfahrung von Frauen, ihr Blick auf die Lebenswirklichkeit und ihre Prioritätensetzung in stärkerem Maße eingehen muss in die Entscheidungen für die Gesellschaft, als das bisher der Fall ist.
Und der Weg in politische und gesellschaftliche Entscheidungspositionen geht nun einmal über die Parteien – ausgenommen vielleicht die kommunalen Ämter und Mandate. Es ist Aufgabe der Parteien, dafür Sorge zu tragen, dass ihr Angebot an die Delegiertenversammlungen der Partei und an die Wähler Frauen ihrem Anteil an der Gesellschaft gemäß präsentiert und so absichert, dass sie eine reelle Chance haben, um in den politischen und parlamentarischen Gremien vertreten zu sein.
Denn die wirklichen Hürden für Frauen liegen vor der Nominierung für ein Amt oder ein Mandat. Sie beginnen schon damit, dass in den Parteiversammlungen Frauen häufig nicht über den wichtigen, weil „bemerkbaren“ Anteil von mindestens einem Drittel verfügen, um ihren Stimmen ausreichend Gewicht zu verleihen und als Machtfaktor gesehen zu werden. Einmal im Amt werden ihre Kompetenz und ihre Autorität als Entscheiderin nach meinen Erfahrungen in der Regel nicht mehr in Frage gestellt (Es gibt Ausnahmen, vor allem in der Bundespartei). Es ist also richtig und wichtig, wenn die CDU jetzt endlich Schritte unternimmt, um die Vertretung von Frauen in den Entscheidungsgremien der Partei verbindlich zu steigern.
Ich verbinde damit die Hoffnung, dass sich die Frauen dieses Mal nicht selbst im Weg stehen! In den Jahrzehnten meiner politischen Tätigkeit und meiner Auseinandersetzung mit diesem Thema hat mich vor allem eins immer aufgeregt, nämlich das Argument von Frauen, die gegen die Quote waren: „Ich will nicht aufgrund der Tatsache gewählt werden, dass ich eine Frau bin, sondern aufgrund meiner Kompetenz.“ Als wenn das ein Widerspruch wäre. Qualifikation und Geschlechtermerkmal sind keine Gegensätze, zwischen denen man sich entscheiden muss. Qualität und Kompetenz ist wie bei Männern einfach vorauszusetzen, wenn sich jemand  auf eine Position bewirbt oder dafür vorgeschlagen wird.
Gerade die CDU hat wie keine andere Partei von jeher der Quote eine zentrale Rolle in ihren Auswahlverfahren zugemessen. Positionen wurden auch an Männer nach klaren Quotenregeln vergeben. Oder wie anders ist die Beachtung der „richtigen“ Mischung aus Rheinländern und Westfalen, aus Katholiken und Protestanten, Arbeitnehmern und Mittelstandsvertretern usw. zu verstehen. Ich habe nie erlebt, dass einer von ihnen argumentiert hätte, dass er eben nicht als Arbeitsnehmer, als Wirtschaftsvertreter oder auch als regionaler Vertreter gewählt werden wolle. Ganz im Gegenteil: Sie haben mit Selbstbewusstsein ihren Anspruch als Vertreter einer Gruppe verteidigt, deren Beteiligung an der Entscheidungsfindung wichtig und angemessen ist.
Auch Frauen sollten diesen Anspruch und dieses Selbstbewusstsein endlich klar betonen. Sie sollten Wert darauf legen, als Frau gewählt zu werden, gleichgültig ob sie sich um einen Vorsitz auf Parteiebene oder das Bundestagsmandat bewerben, weil sie nämlich wissen, dass sie Funktionen und Gremien eine neue Qualität verleihen können.
Natürlich ist es schwierig, die bisherigen männerdominierten Seilschaften und Netzwerke aufzubrechen und angestammte „Plätze“ einer neuen Bewertung zu unterziehen. Aber es lohnt sich. Die CDU könnte moderner, ansprechender und anziehender werden.
Dr. Bärbel Steinkemper,
Bürgermeisterin a.D.