„Droht älteren Menschen der Führerscheinentzug?" ; „Grüne wollen Senioren zwangstesten" – alle Jahre wieder, pünktlich zum jährlichen Verkehrsgerichtstag in Goslar, tauchen in den Medien bedrohlich klingende Meldungen und Berichte zum Thema „Verkehrsgefährdung durch altersbedingt untaugliche Senioren" auf, verbunden mit der Forderung nach Zwangsmaßnahmen mit dem Ziel, Älteren die Teilnahme am immer hektischeren Autoverkehr zu versagen. Das hilft, angeblich, dem Geldsack der Haftpflichtversicherer und schützt Leben und Gesundheit der jüngeren Mitbürger.
Die Grünen, unterstützt von der UDV (Unfallforschung der Versicherer), fordern verpflichtende „Rückmeldefahrten" für Fahrer ab 75 mit Berichtspflicht und „Empfehlungen für das Mobilitätsverhalten", erstellt von „geschulten Beobachtern", d.h. von Fahrlehrern oder Prüfern. Eine solche Verpflichtung zu Testfahrten, deren Kosten die Senioren selbstverständlich selber zu tragen hätten, könnte den Gilden der Fahrlehrer und Psychologen zu einem schönen Zusatzeinkommen verhelfen - daher begrüßen sie den Plan auch einhellig. Für viele Senioren könnte das jedoch zum Entzug des Versicherungsschutzes und damit faktisch der Fahrerlaubnis führen, wenn der Bericht Mängel offenlegt.
Zur Begründung werden immer wieder Statistiken bemüht, die sich bei näherem Hinsehen jedoch als zweifelhaft oder frisiert herausstellen. Beispiele: Die Quote der selbstverschuldeten Unfälle soll bei Senioren mit 75% höher liegen als in der „Hochrisikogruppe" der 17 bis 24 -jährigen. Verschwiegen wird dabei, dass die von Senioren verschuldeten Unfälle in der Mehrzahl Blechschäden sind, wie sie etwa beim Aus - und Einparken oder Rückwärtsfahren passieren. Unfälle junger Männer enden weit häufiger mit Todesfällen, so die Deutsche Verkehrswacht. Im Bayerischen Fernsehen behauptete eine Moderatorin, das Unfallrisiko der über 75-jährigen sei doppelt so hoch wie das der Altersgruppe 30 – 60 Jahre. Einen Vergleich mit der Altersgruppe 17 – 30 Jahre hat sie wohlweislich vermieden.
Wie wir alle wissen, ist die Fahrtüchtigkeit von vielen Faktoren abhängig, die sich täglich, ja stündlich ändern können. Physische Faktoren wie Erkrankungen, Übergewicht, Fehlsichtigkeit, mangelnde Fitness, Herz - Kreislauferkrankungen, Ermüdung usw. beeinflussen das Fahrvermögen ebenso wie lang - und kurzfristige Einflüsse unserer Psyche (leichte Erregbarkeit, Erschöpfungszustände, Ablenkung, Überarbeitung, weitere Stressfaktoren). Solchen Einflüssen unterliegen Fahrer aller Altersgruppen! Allein den Senioren Einschränkungen der Fahrtüchtigkeit anzulasten, ist in höchstem Maße unfair und wirft die Frage auf, ob es hier nicht um systematische Altersdiskriminierung geht. Auch die Praxis der Versicherer, Senioren zum 75. Geburtstag ohne Anlass mit Risikoaufschlägen von 20 – 25 % zu überraschen, ist diskriminierend!
Wir Senioren lehnen (im Einklang mit unserem Bundesvorsitzenden, der Bundesregierung und dem ADAC!) jede Maßnahme ab, die auf ein generelles Fahrverbot für Senioren hinausläuft. Stattdessen sollten Senioren durch regelmäßige, möglichst tägliche Fahrpraxis ihre Sicherheit im Autoverkehr erhalten. Dazu kann die freiwillige Teilnahme an Fahrtrainings für Ältere (Angebot des ADAC!) beitragen. Seinen Gesundheitszustand kennt wohl jeder Senior; so wird er auch davon ausgehende Einschränkungen seines Fahrvermögens selbst bewerten und rechtzeitig Konsequenzen bis hin zur freiwilligen Rückgabe seines „Lappens" ziehen. Das muss ihm der Staat nicht (auch noch) abnehmen!
Hans-Peter Müller
(Stv. Vorsitzender Senioren-Union Rhein-Sieg)
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